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Ist Nearshoring ein Thema für Sie? Ein datengestützter Ansatz

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Ist Nearshoring ein Thema für Sie? Ein datengestützter Ansatz

Eine vor Kurzem durchgeführte Umfrage von HSBC unter 10.000 Unternehmen in 39 Ländern ergab, dass sich 93 % der Firmen derzeit Sorgen um ihre Lieferketten machen. Während der COVID-19-Pandemie haben wir zudem auch durchaus bedeutsame Herausforderungen für die globale Lieferketten erlebt. Diese Probleme haben vor allem drei Ursachen:

  • Starke Schwankungen bei der Nachfrage durch die wiederholte Verhängung und Lockerung von Lockdown-Maßnahmen, die sich auf verschiedene Branchen ausgewirkt haben
  • Unterbrechungen der Lieferkette aufgrund von Lockdowns sowie logistische Herausforderungen, insbesondere im Zusammenhang mit nachgeordneten Zulieferern
  • Anhaltende finanzielle Herausforderungen angesichts der Cashflow-Probleme in vielen Unternehmen, größtenteils ausgelöst durch die beiden zuvor genannten Faktoren

Im Zusammenhang mit geopolitischen Entwicklungen wie dem Brexit und Zollverhandlungen haben diese Probleme viele Unternehmen und deren Beschaffungsteams veranlasst, ihre Beschaffung und Lieferkettenstrukturen neu zu überdenken. Sie haben erkannt, dass Agilität und Widerstandsfähigkeit in der Lieferkette entscheidende Wettbewerbsvorteile darstellen, die mit über das Überleben im neuen wirtschaftlichen Umfeld entscheiden. Eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Veränderung ist der Zugang zu praxisrelevanten Daten, die zukunftssichere Erkenntnisse liefern.

Im Rahmen solcher Veränderungen wird häufig auch das Nearshoring von Lieferkettenaktivitäten in Betracht gezogen, um neue und bessere Strukturen aufzubauen. Eine solche Nahverlagerung könnte auch schlicht in der Übertragung von Geschäftsprozessen auf Unternehmen bestehen, die im gleichen Land wie Ihr Produktionsstandort oder in einem nahegelegenen Land angesiedelt sind.

Warum Nearshoring?

Das Nearshoring oder Regionalisieren von Lieferketten bietet eine Reihe potenzieller Vorteile. Wenn wir uns etwa überlegen, wie ein Digital-First-Ansatz am besten mit Prozessflexibilität kombiniert werden kann, fallen die folgenden Pluspunkte auf:

  • Bei angemessener Umsetzung wird die Lieferkette widerstandsfähiger – die Kosten im Zusammenhang mit Lieferkettenunterbrechungen sinken und die Geschäftsleistung wird optimiert. Nach einer aktuellen Studie des McKinsey Global Institute sind Lieferketten alle vier Jahre Unterbrechungen von einem Monat oder mehr ausgesetzt.
  • Die pünktliche Bereitstellung an Kunden wird optimiert – dies ist einer der wichtigsten Leistungsindikatoren in verschiedenen Branchen.
  • Die Bereiche CO2-Bilanz und unternehmerische Gesellschaftsverantwortung (CSR) können davon profitieren, was den guten Ruf des Unternehmens fördert.
  • Geringere Logistikkosten und mehr Flexibilität, die allerdings ggf. gegen höhere Stückkosten abgewogen werden müssen.
  • Geringere regulatorische und Compliance-Herausforderungen, beispielsweise beim Nearshoring an einen Standort innerhalb der EU (z. B. im Zusammenhang mit Gesetzen gegen moderne Sklaverei).
  • Beschaffungsteams erwarten zunehmend digitale Risikolösungen, die ihnen helfen, einen Mehrwert zu schaffen und wesentliche Aspekte ihrer strategischen Beschaffungs- und Lieferantenmanagementprozesse zu automatisieren. Diese senken die Personalkosten und verbessern die Mitarbeiterbindung. Beispielsweise wird die Überwachung von 30 Risikofaktoren bei allen Lieferanten ohne angemessene Daten und Technologien schnell unmöglich.
  • Wenn dieser Aspekt beim Aufbau eines digitalen Zwillings zusammen mit den ergänzenden Lieferantendaten Ihrer kritischen Lieferkette integriert wird, können Sie erste grundlegende Szenarienplanungen und Stresstests durchführen. Beispielsweise können Sie ermitteln, was passiert, wenn die Produktionsanlagen eines wichtigen Lieferanten nicht mehr zur Verfügung stehen, und welche Alternativen vorhanden sind.

Angemessene Nearshoring-Maßnahmen, die Ihnen die notwendige Agilität und Reaktionsgeschwindigkeit im Umgang mit Kunden bieten, können enorm hilfreich sein. Inditex hat sich zu einem der erfolgreichsten Modeunternehmen der Welt entwickelt, und zwar mithilfe einer Nearshoring-Strategie, mit der das Unternehmen schnell auf Kundenanforderungen reagieren kann. In enger Zusammenarbeit mit seinen Lieferanten sorgt Inditex dafür, dass seine Modeartikel allen relevanten Due-Diligence-Anforderungen entsprechen, auch den anspruchsvollen Nachhaltigkeits- und Arbeitsschutzvorgaben des Unternehmens. Dabei stehen Menschenrechte und Transparenz stets im Vordergrund.
Auch Levi’s hat vor Kurzem die Jeansproduktion standortnah ausgelagert. Die Bearbeitung von Distressed-Jeans wurde dabei voll automatisiert, und Laser ersetzen jetzt die schwere Handarbeit in Niedriglohnländern. Gleichzeitig wird so auch der Kundenservice deutlich agiler.
Der taiwanesische Elektronikhersteller Pegatron hat seine Produktion von China in die Tschechische Republik verlegt. Auslöser für die Entscheidung waren Entwicklungen wie steigende Offshore-Arbeitslöhne und schwankende Herstellungskosten, unzureichender Schutz von geistigem Eigentum und Technologie an Farshore-Standorten, Handelskriege und höhere Zölle, der Trend hin zu individuellen Lieferungen am nächsten Tag sowie der stärker werdende Wunsch der Gesellschaft nach Nachhaltigkeit.
Im Oktober 2020 ergab eine Umfrage von Alvarez & Marsal, dass rund 70 % der großen europäischen Einzelhändler ihre Lieferketten aufgrund von Schwachstellen überprüft haben, die während der Pandemie zutage getreten sind. 14 % der Firmen haben Onshoring-Maßnahmen eingeleitet, nahezu ein Viertel haben mit Nearshoring-Schritten begonnen.
In den letzten Jahren verzeichnen wir zudem eine stärkere Streuung von Lieferkettenrisiken, beispielsweise durch die Verlagerung von Produktionselementen von China nach Vietnam. Dieser Trend trat zunächst bei Bekleidung und Schuhen in Erscheinung, hat inzwischen aber auch den Hightech-Bereich erobert: Samsung ist heute für 25 % der Exporte aus Vietnam verantwortlich, und auch Intel hat seine größte globale Chip-Fertigungsanlage dort angesiedelt.

Wo liegen die Risiken?

Um Verbesserungen der Lieferkettenresilienz – einschließlich Nearshoring – zu erzielen, müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Sie haben die Unterstützung der Unternehmensleitung, damit ein angemessener funktionsübergreifender Ansatz sowie die entsprechenden Ziele und Maßstäbe gewährleistet sind.
  • Ihre Entscheidungsfindung wird von den richtigen Risikomanagementkompetenzen, Lieferanten- und Lieferkettendaten sowie Softwarelösungen unterstützt.
  • Sie verfügen über einen Pool präqualifizierter Lieferanten, die Ihren Anforderungen hinsichtlich CSR, Arbeitsschutz, Regelkonformität usw. gerecht werden, um die erforderliche Agilität zu gewährleisten.
  • Sie kennen Ihren geografischen Fußabdruck und verfügen über eine angemessene Vielfalt innerhalb Ihrer Versorgungsbasis, einschließlich der verschiedenen Ebenen Ihrer kritischen Lieferketten.
  • Innerhalb der allgemeinen Segmente Ihrer Zuliefererbasis können Sie bei Bedarf eine auf einem Win-win-Ansatz basierende, kooperative Lieferantenbeziehung aufbauen, bei der Sie der Kunde erster Wahl sind.

Fragen Sie sich, ob Sie die relevanten Lieferantendaten zur Hand haben, um die Veränderungen in Ihrem Risikoprofil zu erkennen und schnell alternative Anbieter für das jeweilige Produkt zu finden.

Das Nearshoring einer Aktivität allein bedeutet aber noch nicht automatisch eine Verminderung des Lieferkettenrisikos. Wenn Sie über Nahverlagerung nachdenken, sollten die folgenden Aspekte berücksichtigt werden:

  • Der Lieferant oder seine Fertigungsstätte könnten ein Risiko darstellen, z. B. wenn die Firma kurz vor dem finanziellen Scheitern steht oder ihre Arbeitsschutzpraktiken unzureichend sind.
  • Entstehen durch das Nearshoring mehrerer Lieferanten neue Kumulrisiken, z. B. Abhängigkeit von einem bestimmten Hafen oder einer Region? Sorgen Sie für angemessene geografische Streuung.
  • Ist die Lieferantenkapazität ausreichend? Stellen Sie sicher, dass angemessen qualifizierte Zweitlieferanten zur Verfügung stehen.
  • Wenn Sie eine neue Lieferantenbeziehung aufbauen, ist es wichtig, diese im Rahmen einer umfassenden Due-Diligence-Prüfung zu analysieren.

Einer der Hauptfaktoren für die Risikominderung ist die Verfügbarkeit von Daten, die Veränderungen hinsichtlich der Risikosituation verdeutlichen und die notwendige proaktive Agilität ermöglichen, sowohl hinsichtlich der Lieferantenbeschaffung als auchdes Lieferantenmanagements.
Im nachstehenden Video erfahren Sie mehr über Nearshoring auf der Grundlage einer datengestützten Strategie.

 

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